Montag, 3. Februar 2014

Einen Monat Sony Smartwatch 2


Etwas mehr als einen Monat bin ich nun stolzer Besitzer dieses technischen Gimmicks. Eine ausreichend lange Zeit für ein ausführliches Fazit, wie ich finde.

Kommen wir gleich zuerst zu den Sachen, die mich stören, bzw. gestört haben.
Da war das Armband. Grundsätzlich mach das Metallarmband die Sony Smartwatch 2 ja erst wirklich hochwertig. Silikon wirkt billig, geht schnell kaputt und man schwitzt darunter. Also wer gibt da nicht gerne die 20-30 Euro mehr aus, um ein hochwertiges Metallarmband mitgeliefert zu bekommen?
Diese Ansicht ist nachwievor gültig, doch muss ich ein großes ABER dahinter setzen.
Das Metallarmband sieht zwar schweinegut aus, aber es ist schwer, unflexibel und selbst nach der Verkleinerung beim Uhrmacher immer noch nicht perfekt. Ich würde mir den Aufpreis wirklich sparen.
Inzwischen ist das Metallmonster einem billigen Nylon-Armband für 6 Euro gewichen. Mit dem Erfolg, dass die Uhr nun über 100g weniger auf die Waage bringt, sich viel angenehmer tragen lässt und trotzdem kein bisschen billiger wirkt. Ganz im Gegenteil. Das Nylon-Armband nimmt der Uhr das wuchtige Erscheinungsbild.
Immer noch stört mich das Fehlen eines Mikrofons. Ganz klar - die nächste Smartwatch hat eins.
Gewöhnt habe ich mich auch an das zugegeben recht pixelige Display. Das und das für meine Bedürfnisse fehlende Mikrophon sind auch wirklich die beiden einzigen wirklichen Schwachpunkte der Sony Smartwatch 2.
Aus meiner jetzigen Sicht nicht mehr ganz so optimal: die ausschließliche Nutzbarkeit unter Android. Nach meinen durchweg positiven Erlebnissen mit meinem iPad Air liebäugel ich ja nun doch inzwischen mit einem iPhone 5S. Allein die Uhr hält mich noch vom Kauf ab. Wer weiß, wozu das vielleicht gut ist. ;-)

Soviel zu den Nachteilen.
Mehr ist es wirklich nicht - also jammern auf ganz besonders hohem Level.


Nun aber zu den positiven Erfahrungen.

Fangen wir mit dem Technischen an.
Das Wichtigste ist natürlich die Akkulaufzeit. Dazu kann ich nur sagen, dass sie absolut in Ordnung geht. Drei Tage sind definitiv immer drin, meist sogar vier. Den fünften Tag erreicht man dann nur noch mit Mühe und tiefrotem Balken. Aufgeladen ist die Uhr in Windeseile. Eine Stunde am USB-Port oder eine halbe am 1000mA-Ladegerät verhelfen dem Akkubalken schon auf die letzte Pixelreihe. Lobenswert ist und bleibt der Standard-Micro-USB-Port. So ein Kabel hat man praktisch überall. Ob im Auto, auf Arbeit oder vom Kollegen oder Kunden ausgeliehen. Jeder der ein Smartphone hat, hat auch solche Kabel rumliegen. Was man sich bei Samsung und Qualcomm wohl dabei gedacht hat, ein proprietäres Ladesystem zu verkaufen, bleibt mir auf Ewig ein Rätsel.

Das Display lässt, abgesehen von der überschaubaren Auflösung, auch nach einem Monat kaum Wünsche offen. Die Lesbarkeit bei normalem Tageslicht und direkter Sonneneinstrahlung ist tadellos, egal ob im aktiven oder inaktiven (transflexiven) Modus. Bei absoluter Dunkelheit (Kino, Bett, Darkroom, Kellerverlies) muss man die Uhr jedoch über den seitlichen Knopf kurz einschalten um die Zeit abzulesen.

Und sonst so?

Die Uhr hat sich gut in mein Leben eingefügt und um es schon einmal vorweg zu nehmen, ohne Smartwatch würde ich nicht mehr aus dem Haus gehen wollen.
Über die Steuersoftware "Smart Connect" hab ich mein Telefon so eingestellt, dass es im Falle einer Verbindung mit der Uhr automatisch in den Lautlos-Modus schaltet. Mit dem Effekt, dass ich mich kaum noch erinnern kann, welchen Klingelton ich überhaupt eingeschaltet habe. Statt nervig zu klingeln, vibriert nun mein Handgelenk und wenn mir gerade nicht nach Telefonieren ist, kann ich mit einer Berührung das Gespräch ablehnen, ohne erst in meinen 100 Taschen das Telefon suchen zu müssen.
Allein diese Funktion macht das Leben ein ganzes Stück ruhiger und entspannter.
Ein weiterer Vorteil ist, dass ich keinen Anruf mehr verpasse, wenn das Telefon im Arbeitszimmer liegt, ich aber gemütlich im Wohnzimmer hocke oder in der Küche rumwusel.

Da ich dienstlich sehr viel unterwegs bin und mein halbes Leben auf grauem Asphalt stattfindet, weiß ich zudem die umfangreichen Benachrichtigungsfunktionen zu schätzen. Eine App ist hier ganz besonders hilfreich - "WatchIt!".
Da die Smartwatch 2 gerne für jede noch so kleine Funktion eine eigene App benötigt, auch nur um Benachrichtigungen anzuzeigen, musste eine App her, die das Notification Center von Android 1:1 auf die Smartwatch spiegelt. Sony bietet so was leider nicht selbst an, aber "WatchIt!"ist gratis und unglaublich mächtig was den Funktionsumfang angeht.
Für jede einzelne App und jeden noch so unbedeutenden Dienst kann man sich die Benachrichtigungen auf die Uhr senden lassen. Das macht die App im höchsten Maße individuell. Meine Liste war anfangs sehr lang und wurde nach einigen Dauermassagen des Handgelenks auf ein erträgliches Minimum reduziert.
Letztlich sind nur "Google Search", "Hangouts" (das ich auch für SMS nutze), Whatsapp und Touch&Travel als Benachrichtigungs-Quellen übrig geblieben. Das genügt mir völlig.
Google Search informiert mich regelmäßig über meinen aktuellen Standort, die Fahrtzeit für den Heimweg, Wetter und fällige Termine, sowie die Fahrtzeit dort hin und wann ich aufbrechen sollte.
Hangouts und Whatsapp informieren mich über eingehende Nachrichten und Touch&Travel erinnert mich daran, dass ich nach meiner Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auch wieder auschecke.
Dabei ist es selbstredend, dass diese Benachrichtigungen nicht nur aus einer bunten Zahl bestehen und ich dann doch wieder zum Smartphone greifen muss, sondern jede einzelne Benachrichtigung im Volltext an der Uhr angezeigt wird.
Kleinere Schwächen erlaubt sich die App jedoch bei Whatsapp und Hangouts, indem sie mit der Nachricht versendete Smileys und Symbole nur als ?? anzeigt.

Auch die anderen installierten Apps wurden mit den Wochen immer weniger.
Übrig geblieben sind nur noch der Kalender, mit dem ich Zugriff auf meine Termine habe und über den ich sogar durch die Termindetails blättern kann, eine GoogleMail-App, die Telefon-App, eine Wetter-App und der Wecker  (alles selbsterklärend, hoffe ich).

Das alles zusammen ist mein kleines "Büro" am Handgelenk. Das Telefon hole ich eigentlich nur noch vor, wenn ich auf SMS/Whatsapp-Nachrichten antworte. Das ginge zwar auch an der Uhr, hat sich aber als nicht praktikabel erwiesen.
Selbst auf dem Heimtrainer zeigt sich die Uhr in Zusammenarbeit mit meinem drahtlosen Headset von ihrer praktischen Seite. Das Telefon bleibt einfach im Arbeitszimmer liegen. Gesteuert wird die Musik über die Uhr und wenn ein Anruf reinkommt, muss ich nicht hastig vom Bock klettern, sondern kann gemütlich weiter radeln.

Als prinzipiell sinnvoll, aber nicht ganz optimal gelöst ist die Warnung, wenn das Smartphone nicht mehr in Reichweite ist. Die Uhr vibriert zwar zweimal, das ist aber manchmal nicht von einem normalen Benachrichtigungs-Vibrieren zu unterscheiden und es fehlt auch eine Display-Benachrichtigung, dass das Telefon außer Reichweite ist. Lediglich die Apps, die eine Verbindung zum Smartphone benötigen, wechseln ihre Farbe hin zu Grautönen. Das ist aber erstens bei ungünstigen Lichtbedingungen recht schwer auszumachen und zweitens doof, wenn man auf der ersten Seite keine Apps hat, die eine permanente Verbindung zum Telefon benötigen.
Hier hätte ich mir eine klarere Anzeige gewünscht, doch ist dieses Feature am Ende auch nicht kriegsentscheidend. Möglicherweise gibt es ja auch eine 3rd-Party-App, die genau diese Funktionalität nachrüstet.



Und wozu nun das Ganze?
Nun ja. Was mir wohl am drastischsten auffällt ist, dass ich mein Smartphone immer seltener raus hole. Was ich wissen will und wissen muss, steht jetzt auch auf meiner Uhr. Und es wirkt in Gesellschaft deutlich weniger unhöflich, wenn man gelegentlich auf die Uhr sieht, statt ständig am Smartphone rumzufingern.
Das Telefon nehme ich tatsächlich nur noch zur Hand, wenn ich es wirklich brauche. Beispielsweise um ausfühlich Nachrichten zu lesen, auf Google Plus zu schmökern, ein Spiel zu spielen, oder mit dem Weibchen bei der Arbeit nebenher über die Abendgestaltung zu chatten.
Termine, Uhrzeit, verpasste Anrufe, Wetterbericht usw., also die ganzen häufigen Kurzbesuche am Smartphone sind inzwischen passé. Alles was ich über den Tag wissen muss, hab ich stets am Handgelenk. Für mich und in meiner ganz speziellen beruflichen Situation, ist das eine enorme Vereinfachung meines Alltags. Nicht jeder wird die gleichen Erfahrungen sammeln. Für manch einen mag eine Smartwatch wie eine zusätzliche Belastung erscheinen und dann ist sie es vermutlich auch.

Unterm Strich bin ich glücklich.
Nach meinem ersten Smartphone vor etwa 4 Jahren ist die Smartwatch das erste Gimmick, das mir wieder einen tatsächlichen Mehrwert bietet. Keinen Mehrwert an verfügbaren Informationen, aber einen Mehrwert an - ja man kann durchaus Lebensqualität sagen. Ich bin für mich selbst spürbar weniger auf mein Smartphone fixiert als zuvor und ich empfinde es auch als besonders angenehm, dass das Telefon nicht mehr klingelt.

Die Sony Smartwatch 2 erhält von mir beide Daumen nach oben. Smartwatches sind eine sinnvolle Erfindung. Durchaus mit Schwächen, aber auch mit ordentlich viel Potential und eine wirklich sinnvolle Ergänzung zum Smartphone.


Ausblick:
Ich bin gespannt, was künftig von anderen Herstellern in dem Bereich kommt.
Von Apple erwarte ich nicht weniger als die schönste Smartwatch der Welt. Zum Herbst soll es ja endlich soweit sein.
Samsung und Qualcomm haben mich mit ihren Erstlingswerken auf ganzer Linie enttäuscht. Beide Hersteller geben allerdings auch zu, dass die erste Generation nur ein Testballon ist und man die gewonnenen Erfahrungen in die jeweils nächste Generation einfließen lassen möchte.
Die neue Pebble mit Metallgehäuse und -armband hat außer 50 US$ Mehrpreis dieses Mal keine Neuerungen geboten, allerdings ist die Pebble auch von Anfang an sehr gut durchdacht gewesen und bietet kaum Schwächen. Das App-Angebot ist gigantisch, die Akku-Laufzeit absolut tadellos, das Design zeitlos und gesellschaftstauglich und sie punktet als einzige Smartwatch am Markt mit iOS-Kompatibilität. Ein Farbdisplay stünde ihr noch gut, dann wäre sie vermutlich perfekt.